Erst vor kurzem habe ich diese schönen Forumseinträge gefunden und wollte auch mal kurz meinen Senf dazugeben.
Mangels fehlendem Alter geht meine erste USA Reise noch nicht allzu weit zurück aber immerhin noch in die Phase als es üblich war im Reisebüro zu buchen und das Internet noch nicht so vertraut war wie heute.
Soweit ich mich erinnern kann sind wir gerade frisch ins Jahr 2005 gestartet und ich bin mit meinen Eltern auf dem kurzen Fußweg zum Neujahrsmarkt der bei uns in der Kleinstadt stattfindet. Wie meine Eltern kann ich mich noch ganz genau an die Situation erinnern als ich kurz bevor wir bei unserem Stammfriseur vorbeiliefen zum ersten Mal sagte, dass ich Lust hätte mal nach New York City zu reisen. Meine Mutter hat es im ersten Moment gar nicht so wirklich ernst genommen und ist dann erst ein wenig hellhörig geworden als mein Vater meinte, dass er darauf auch Lust hätte. Die USA waren damals noch so eine große Unbekannte obwohl meine Großtante und ihr Ehemann irgendwann in den 90ern nach Miami ausgewandert sind. Außer meiner Oma die ihre Schwester dort einige Male besucht hatte gab es keine wirkliche Verbindung.
Die Reisepläne konkretisierten sich dann im Laufe des Jahres und wir stöberten durch verschiedene Reisekataloge bis wir irgendwann eine gute Kombination bei Meiers Weltreisen gefunden hatten. Es sollte eine Woche NYC und zwei Wochen Orlando werden.
Mit einer Liste von Dingen die zu buchen waren gingen wir zusammen zu unserem angestammten Reisebüro und waren auch locker eine Stunde beschäftigt bis alles so gebucht war wie wir es ausgetüftelt hatten. Es war ein spannendes Ereignis an das ich mich immer noch sehr gut erinnern kann.
Am 29.06.2006 war dann der große Tag gekommen. Beim Delta Check-In gab es eine kleine Enttäuschung da alle Fensterplätze bereits vergeben waren. Von Sitzplatzreservierungen im Flugzeug hatten wir damals noch nicht wirklich etwas gehört. Alleine der Blick auf den Bildschirm über dem Gate wo New York stand hat bei mir unfassbare Vorfreude ausgelöst. An Board haben wir zu dritt in der Mitte gesessen und dann ging die Reise auch schon los. Für meine Eltern war es der erste Langstreckenflug überhaupt und für mich immerhin der erste über den Atlantik da ich einige Jahre zuvor zum Schüleraustausch in Australien war. Meine Mutter war ganz begeistert von den überaus freundlichen und wie sie bis heute sagt normalen amerikanischen Flugbegleitern. Die jungen künstlich wirkenden Air Berlin Flugbegleiterinnen die sie von den üblichen Charterflügen ans Mittelmeer kannte waren ihr immer suspekt.
Nach gut 8 Stunden sind wir dann in JFK gelandet und in einem dringend renovierungsbedürftigem Terminal angekommen. Der erste kleine Kulturschock waren die metallenen Toiletten und die großen Spalte der Kabinenwände. O-Ton Mama: Das ist ja wie im Knast.
Da ich keine detaillierte Erinnerung an die Immigration habe wird das wohl einigermaßen unspektakulär gewesen sein. Am Gepäckband war ich irgendwie ein wenig schockiert wie viele andere Passagiere einen Anschlussflug hatten was ich an den baggage tags erkennen konnte. Ich dachte mir, wie kann man bloß in New York landen und einfach weiterfliegen. Das ist doch die spannendste Stadt der Welt
Wir nahmen unser Gepäck und auf gehts zum Taxi Stand direkt hinter dem Ausgang. Der erste Eindruck: Heilige Scheiße, welches heiße Abluftgebläse ist denn hier?
Ernüchternde Erkenntnis: Das sind einfach nur die knapp unter 40°C Außentemperatur die uns entgegenkommen.
Im riesigen Ford Crown Victoria Taxi ging es dann Richtung Manhattan. Man macht sich ja so seine Vorstellungen wie groß eine Stadt wie New York ist um dann festzustellen dass sie noch viel viel größer ist. So viele Eindrücke prasselten auf einmal auf uns ein und das obwohl wir nur in einem Taxi saßen. Nach geschätzten 20-30 Minuten Fahrt konnte ich am Horizont zum ersten Mal die Skyline von Manhattan erkennen und war einfach nur überwältigt. Die Fahrt ging noch gut 15-30 Minuten bis wir mitten in Manhattan an unserem Hotel ankamen.
Unsere ersten kleinen Kulturschocks waren die Distanzen, die Manhattan-Supermarkt-Preise (zumindest bei dem sauteuren Supermarkt den wir gefunden hatten) und Kleinigkeiten wie die Funktion der Dusche die uns zunächst wie ein Rätsel erschien.
Navigiert haben wir mit den klassischen faltbaren Stadtplänen und unserem ADAC-Reiseführer. Die wahnsinnig kalten Temperaturen in Gebäuden sind uns auch noch als Kulturschock in Erinnerung geblieben. Besonders im Kontrast zu den Rekordtemperaturen draußen war es einfach viel zu kalt und wir waren nicht recht darauf vorbereitet.
Am ersten Morgen in NYC bin ich völlig naiv alleine losgelaufen um nach einer Bäckerei zu schauen und etwas zum frühstücken zu holen. Irgendwie dachte ich es wäre wie in Deutschland wo es ja quasi an jeder Ecke eine Bäckerei gibt. Das lustige ist, dass es in meinem Fall tatsächlich so war und ich innerhalb von wenigen Minuten eine Bäckerei fand und einige Bagles mitbringen konnte. Manchmal hat man mehr Glück als Verstand. Die Woche in New York war ausgesprochen spannend aber auch auf Grund des Wetters eine große Kraftanstrengung die wir heute in dieser Form nicht mehr machen würden.
Nach einer Woche ging es dann mit einem vom Hotel organsierten Lincoln Town Car zum Flughafen um nach Florida zu fliegen.
Beim Landeanflug musterte meine Mama die vielen Seen kritisch als Mückentümpel aber insgesamt sah es sehr schön und grün aus. Am Flughafen selbst gefiel es ihr schon viel besser als in New York (O-Ton Mama: es sieht nach Urlaub aus) dochjetzt stand eine der größten vermuteten Herausforderungen an: Mietwagen abholen.
Übers Reisebüro hatten wir bei Alamo gebucht und da ich vorher mehr als ausgiebig recherchiert hatte wusste ich wie die Choice Line theoretisch funktionieren sollte. O-Ton meiner Elter: Die stellen da doch nicht einfach Autos hin und du nimmst dir einfach einen...
Nachdem wir uns am Schalter noch eine unsinnige zusätzliche Versicherung haben aufschwätzen lassen weil wir es irgendwie auch nicht besser wussten ging es zum Parkplatz. Kategorie Fullsize, Schlüssel stecken, einfach auswählen, losfahren und an der Schranke die Unterlagen vorzeigen. Wie einfach so etwas organisiert werden kann ist für den deutschen überkorrekten Verstand erstmal schwer zu begreifen. Meine arme Mama musste dann erstmal warten während die Autonarren Papa und ich die einzelnen Autos anschauten und probesaßen
Da ist sie heute noch ein bisschen traumatisiert von weil es einfach so lange dauerte. Letztendlich ist die Wahl auf einen weißen Chevy Impala gefallen. Wow, großes Auto und was da alles in den Kofferraum passt, fantastisch. Noch in Deutschland hatte ich mir eine paar Notizen gemacht wie man zum Hotel in Davenport kommt (eventuell mit Google Earth aber so genau weiß ich das nicht mehr) und wir sind erstmal langsam losgefahren. Andere Straßen, andere Verkehrsregeln und Verkehrszeichen haben meinen Papa erstmal sehr sehr vorsichtig fahren lassen. Gefühlt waren wir eine Ewigkeit unterwegs bis ich irgendwann ein kleines Schild mit dem Hotelnamen entdeckte; wir hatten es tatsächlich gefunden. Das
Bahama Bay Resort machte einen super guten ersten Eindruck und wir waren absolut fasziniert davon mit dem Auto bis vor die Apartmenttür fahren zu können. Das Apartment war so viel größer als wir es uns vorgestellt hatten. Mit einem Grinsen erinnere ich mich noch daran wie wir zusammen vor der Waschmaschine standen um herauszufinden wie genau sie funktioniert und man ist ganz begeistert wenn es klappt. Bei Walmart und Publix lernten wir dann auch dass die Preise aus dem New Yorker Supermarkt glücklicherweise nicht in ganz Amerika gelten aber es war schon eine Herausforderung da die allermeisten Marken und Produkte völlig unbekannt waren. Mittlerweile haben wir unsere Standartprodukte gefunden und ein Walmart/Publix/Safeway etc fühlt sich praktisch so vertraut an wie ein Supermarkt hier.
Die Navigation in Florida habe weitestgehend ich übernommen nachdem wir uns am ersten Tag an einer Tankstelle einen Autoatlas für Florida gekauft haben. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern wie wir vor Fahrtantritt die Routen besprochen haben und ich dann penibel mit dem Atlas auf dem Schoß und dem Blick auf die Straßenschilder navigiert habe. Auch wenn es ein sehr gutes Training war möchte ich die Bequemlichkeit von Google Maps heute nicht mehr missen da es die Fahrt für Fahrer und Navigator sehr viel entspannter macht, ganz zu schweigen davon wenn man man alleine unterwegs ist.
Nach Besuchen von Sea World und Busch Gardens und einem Pooltag den ich mit einem äußerst bösen Sonnenbrand zu bezahlen hatte (die Sonne in Florida ist dann doch ein bisschen heftiger als erwartet) stand auch noch ein Besuch bei meiner Großtante in Miami auf dem Plan. Der Tag war soweit ganz gut doch hatten wir mal wieder die Distanzen völlig unterschätzt und waren sehr spät abends auf dem Rückweg. Clever wie wir waren wollten wir natürlich den kürzesten Weg nehmen der natürlich keine Interstate war 😣 (FL-60 soweit ich es rekonstruieren kann). Die Straße war leider nicht in dem allerbesten Zustand und hatte noch ein paar Schäden von vergangenen Stürmen. Es kam wie es kommen musste und wir erwischten ein Schlagloch bei voller Fahrt was beide Reifen auf der Beifahrerseite nicht überlebten. Mit zwei platten Reifen standen wir irgendwo in der Pampa einige Meilen östlich von Yeehaw Junction (diesen Namen werde ich niemals mehr vergessen). Einige wenige LKWs bretterten an uns vorbei während wir am Straßenrand im hohen Gras standen. Mit dem Handy versuchte ich Alamo zu erreichen was aber zunächst nicht so recht funktionieren wollte. Die Verbindung war schlecht, die Akustik vom Handy ebenfalls und mein Schulenglisch war auch auch nicht gerade perfekt dazu geeignet alles fehlerfrei zu kommunizieren. Das Britische Wort puncture für platten Reifen kannte der Alamomitarbeiter nicht und somit musste ich es grob mit the air is away beschreiben.
Nach einiger Zeit kam dann ein State Trooper mit Blaulicht der vermutlich von einem LKW alarmiert wurde und völlig kopflos wie ich war bin ich einfach mal auf ihn zugelaufen
Heute denke ich mir dass ich auch locker hätte verhaftet oder angeschossen werden können aber glücklicherweise versprühte ich wohl nicht den Eindruck eine Gefahr sondern einfach nur ein dummer dummer Tourist zu sein. Der Herr Sheriff konnte uns dann helfen Alamo zu kontaktieren und einen Abschleppdienst zu organisieren. Der Sheriff musste dann weiter und wir standen wieder an der Straße und warteten auf den Abschleppdienst. Relativ zügig kam dann auch der Abschleppwagen mit einer ziemlich coolen Mechanikerin im Führerhaus. Sie wollte dann einen Reifen wechseln was mich doch etwas irritierte da wir ja zwei platte Reifen hatten und es ja nur einen Reservereifen am Auto gab. Das Wort flat tire hatte ich mittlerweile gelernt und konnte ihr dann auch sehr schnell erklären, dass wir etwas mehr als einen einfachen Reifenwechsel bräuchten. Die Dame rollte die Augen und meinte nur dass es nicht das erste Mal sei dass Alamo einen völlig falschen Auftrag machen würde. Pragmatisch wie sie war telefonierte sie kurz mit Alamo und ließ sich das ok fürs Abschleppen und den Wagentausch geben. In dem Moment war ich einfach nur dankbar dass sie sich darum kümmern konnte und wir nicht länger da an der Straße stehen mussten. Der weiße Chevy wurde kurzerhand auf den Abschleppwagen gehoben und zu viert saßen wir im Führerhäuschen. Nach ein paar Minuten und kurzem Smalltalk kamen wir an einer Tankstelle in Yeehaw Junction an. Dort wurden wir mit dem weißen Impala abgeladen und sollten auf einen anderen Abschleppwagen mit dem Ersatzauto warteten der von Vero Beach kam. Nach kurzer Zeit kam tatsächlich der angekündigte Ersatz und erneut waren wir erstaunt wie unbürokratisch das ganze ablief. Die Barcodes der Autos wurden gescannt, es gab eine Unterschrift für den Tausch und das war es auch schon. Reinsetzen, losfahren und endlich zurück ins Apartment kommen. Unser weißer Impala war nun durch einem bronze-bräunlichem Impala ersetzt worden der sogar etwas besser ausgestattet war. Weit nach Mitternacht kamen wir endlich zu Hause an und fielen in die Betten. Vielleicht war genau diese Feuertaufe der Grund weshalb wir uns alle drei so nachhaltig in Amerika verliebt haben und keine allzu großen Sorgen haben wenn wir dorthin reisen. Eigentlich war es diese eine Reise die man einmal im Leben macht. Mit diesem Gedanken sind wir zumindest damals in Frankfurt ins Flugzeug gestiegen. Aus dem einmaligen Erlebnis sind mittlerweile 14 Mal geworden und es dürfen noch sehr viele weitere werden.
Auch wenn die Vorbereitung heute eine ganz andere ist als in der Vor-Internetzeit gibt es so viele Dinge die wir nur durch das eigentliche Reisen lernen konnten. Wir können uns nicht auf alles vorbereiten und das ist auch gut so weil sonst ein wichtiger Bestandteil des Reisens verloren ginge. Die außergewöhnlichen, überraschenden Momente bleiben uns am nachhaltigsten im Kopf.
In diesem Sinne, wünsche ich euch allen Reisen mit vielen bleibenden schönen Erinnerungen