21. August 2007
Hier könnte man es aushalten! Diesen Spruch höre ich nun schon zum zweiten Mal. Die Blicke meiner Mitreisenden sind traurig, aber nicht vorwurfsvoll. Alle erinnern sich an den lauen Frühlingsabend, als der Inhaber der Agentur „Dad’s USA-Reisen“ hohlwangig und mit wirrem Blick aus seinem Kontor getaumelt kam und die erlösenden Worte sprach: „Ich habe die Flüge! 14 Tage Florida, ab jetzt nur noch trocken Brot und Wasser!“ Jubel, Tränen Wunderkerzen! 2 Wochen!? Der einzige Fehler, den ich im Nachhinein eingestehe: Wenn man bedenkt, dass wir für dieses Hotelzimmer 51,- € bezahlt haben - soviel kostet in D eine Übernachtung in der Jugendherberge - aber im 10er-Schlafsaal - hätten wir auch noch eine Woche dran hängen können. Viel günstiger lebt es sich in den eigenen vier Wänden auch nicht! Beim Kaffee kochen (wie gewohnt, alles da) beschließe ich innerlich folgende Handlungsreihenfolge nach der Heimkehr:
1. Haustür aufschließen
2. Kurzes Innehalten vor der USA-Flagge im Flur
3. Florida-2008-Sparbüchse aufstellen
Gestern Abend bei Denny’s wollte man uns mit einem Frühstücksgutschein ködern, doch wir haben keine Zeit zu verlieren. Schnell zu Publix, Proviant fassen und Tempomat an! Juhu!!! In den 25 Minuten Fahrt zum KSC kann man bequem frühstücken, Körperpflege betreiben, sich ein wenig die Beine vertreten (Fahrer) oder - sich mental auf
das Ereignis des Tages einstimmen:
Heute um 12.32 p.m. landet Space Shuttle Endeavour auf dem Weltraumbahnhof in Cape Canaveral!
Mir läuft es noch beim Schreiben eiskalt den Rücken hinunter. Was für ein Glücksfall! Raumfahrtgeschichte wird geschrieben und wir winzigen Erdlinge sind mittendrin.
Nach der sehr gründlichen Personenkontrolle am Einlass - alle elektrischen Geräte müssen die ihnen zugedachte Funktion nachweisen - also Handys sollten jetzt nicht unbedingt ticken oder auf der Videokamera ein Zielfernrohr befestigt sein – gewährt man uns einen ersten Blick auf die riesigen Anzeigetafeln mit den Countdown-Zahlen. Kein Grund zur Beschwerde! Dies hier ist nicht „Madame Tussauds“, sondern
THE JOHN F. KENNEDY SPACE CENTER, das Herzstück amerikanischen Selbstverständnisses!
Wir steuern direkt den Busshuttle an – die richtige Entscheidung, wie sich später herausstellen wird, denn nachmittags werden sich beachtliche Warteschlangen bilden. Der Busfahrer, ein routinierter Witze-Erzähler, quetscht aus jedem Insassen einen Minilebenslauf heraus und auch Johannes muss Rede und Antwort stehen: Germany, wonderful, Fränkfuurt, no? Kässel? Sorry, Laipzig? Iron Curtain! Aah! Auf welch brisantem Boden wir hier wandeln, wird mir erneut bewusst, als der Fahrer (der das nun wahrlich zwanzigmal am Tag macht) am Check Point zum eigentlichen NASA-Gelände seine ID vorweisen muss. Ist das spannend! Stopp an der LC 39 Observation Gantry, von wo aus man einen atemberaubenden Blick auf die Startrampen hat.
Der originale Firing Room der Apollo 8 - Mission, heute ein Multimedia-Theater mit Gänsehautgarantie, einer meiner Favoriten an diesem denkwürdigen Tag.
Man kann auf dieser Tour beliebig aus- und einsteigen und an jeder Station verweilen, so lange man will. Überwältigend das Apollo Saturn V Center mit der 110 m langen Saturn Rakete – irgendwo habe ich gelesen, dass man dieses Ungetüm bloß aufzutanken brauchte, dann könnte es sofort wieder starten!
Die besten Chancen, die anfliegende Endeavour zu beobachten, hast du im Visitor Center, so ein Insidertipp! Es geht auf Mittag zu, also mit dem nächsten Bus zurück zum Ausgangspunkt! Und dann – Show Time! Die Menge schaut gebannt zum Himmel, als würde die Wiederkehr des Halleyschen Kometen bevorstehen. 12.30 Uhr! Die Spannung kannst du förmlich mit Händen greifen und in die atemlose Stille
knallen plötzlich zwei ohrenbetäubende Booms im Abstand von Sekundenbruchteilen, gefolgt von einem Fauchen, als hätten sich die Pforten der Unterwelt geöffnet. Wo aber ist das Space Shuttle? Ratlose Blicke überall – bis entfernt Beifall aufbrandet und alle zum Astronaut Encounter strömen, um in patriotischer Eintracht die Videobilder der zum Stillstand gekommenen Endeavour zu bestaunen und die Rückkehr der Helden zu feiern. Unsere Enttäuschung hält sich in Grenzen, können wir doch demnächst (?) unseren Enkeln erzählen, dass wir sooo nah dran gewesen sind.
Nachmittag! Es ist heiß wie Mist! Wir flüchten – nach moderatem Anstehen – ins
Shuttle Launch Experience, eine neue Attraktion, die auch FL-Profis bewegen sollte, dem KSC mal wieder einen Besuch abzustatten. „Get Vertical“, realistischer kann ein Shuttle-Start nicht simuliert werden! In den IMAX-Theaters läuft „Walking on the Moon 3D“
von Tom Hanks, allein dieser Film ist das Eintrittsgeld wert! Noch mal mit dem Bus die Runde, vorbei am Vehicle Assembly Building, dem vom Rauminhalt her zweitgrößten Gebäude der Welt, in dem die Raumschiffe montiert...
...und mit diesen Giganten zu den Startrampen transportiert werden.
Eine nicht alltägliche Begegnung, wie uns der Guide versichert! Man zeigt uns noch das Medical Center, in dem sich die Shuttle Crew gerade der medizinischen Untersuchung unterzieht, das NASA Headquarter (unspektakulär wie das Verwaltungsgebäude einer Agrar-Genossenschaft - logo, um die Russen zu täuschen!) und die ISS-Montagehallen.
What a Day!!!
Auf dem Weg Richtung Beeline Expressway – unser Ziel ist Orlando – stoßen wir auf eine Umleitung! Ein Ärgernis überall auf der Welt – aber nicht auf einer Floridareise! Ich möchte aussteigen und einfach nur aufsaugen und genießen: Wie in unzähligen amerikanischen Filmen gesehen, ländliche Idylle, Häuschen mit der unvermeidlichen schrägen Auffahrt, Doppelgarage, Jeep
und Pick Up vor jeder Tür. Kein Wunder, dass Kevin gern allein zu Haus war!
Orlando, Home of Skully and Mickey Mouse! Das „Quality Inn at International Drive“, unser Zuhause für die nächsten zwei Tage empfängt uns freundlich im Neonlicht. Der Tag war lang, alles Weitere morgen!
Noch nie jemanden mit IoA-Vorfreude gesehen?