16. August 2007 (Fortsetzung)
Mittlerweile haben wir uns auf so etwas wie eine feste Sitzordnung geeinigt, die sich auf den 1.466 Meilen, die vor uns liegen, nicht mehr grundlegend ändern wird. Meine Frau hat sich im hinteren Abteil häuslich eingerichtet. Sie wird in Kürze über Verspannungen der Nackenmuskulatur klagen, weil sie, als zierliche Person permanent einen Schwanenhals machen muss, um aus den weichen Sitzen unseres tiefer gelegten Fun Mobils die Schönheiten Floridas vorbei gleiten zu sehen. Sie zeichnet forthin für die Betreuung der Reisematerialien, der Foto- und Videotechnik und das Catering verantwortlich. (Haste mal ne kalte Coke? --Wie heißt das Zauberwörtchen?) Auf dem Beifahrersitz der Navigator - im Moment damit beschäftigt, an den Knöpfen der durchaus beeindruckenden Stereoanlage herum zu schrauben und Mörderbässe zum Leben zu erwecken. Und schließlich - „The Transporter“, der im Begriff ist, das Fahren als Lustfaktor zu begreifen! Zuhause bedeutet Auto fahren für mich, möglichst schnell und kostengünstig von A nach B zu kommen. Hier säuselt der Motor (für einen passionierten Dieselfahrer eine völlig neue Erfahrung), die perfekt funktionierende Klimaautomatik sorgt für ein laues Lüftchen und bei 45 – 55 m/ph meinst du, wie eine Feder zu fliegen.
Genug geträumt, wir sind nicht zum Spaß hier! Vorbei an den Ausläufern der Everglades –Ilona Schwanenhals späht nach den ersten Gators – erreichen wir Key Largo, der Metal-Bassist neben mir (temporäres Radioverbot) hat eine Detailkarte der Keys ausgehändigt bekommen und kommentiert ab jetzt jeden Mile Marker. Vielleicht ist es für Florida-Profis der Gähner, aber was auf dieser schnurgeraden Straße draußen an uns vorüber zieht, ist schlicht überwältigend: Einmal die berühmten, riesigen und sturmsicheren Lichtmasten, die in unendlicher Linie mit dem Horizont verschmelzen, Geschäfte, wunderschöne Ferienanlagen, tropische Vegetation, aller drei Steinwürfe ein Boat Shop, Boat Center, Boat Rental…Riesige Boote, teilweise in gigantischen, dreistöckigen „Verkaufsregalen“ präsentiert. Ich habe in meinem Leben noch nicht so viele Edelkähne gesehen, wie auf dieser Rundreise durch Florida. (Obwohl es nichts zu gewinnen gibt, Frage an Beate: Hat hier eigentlich jeder ein Boot?) Und dazwischen immer wieder atemberaubende Blicke auf den Atlantik und den Golf von Mexiko. Wir sind uns einig – diese Fahrt ist eines unserer schönsten Erlebnisse überhaupt.
Aber weiter, der Tag ist noch lang: Wir stoppen am MM 59, in Grassy Key am
Dolphin Research Center, über das ich einmal einen beeindruckenden Bericht gesehen habe.
Das Team pflegt und dressiert Delfine, kümmert sich aber auch um Manatees und Seelöwen. Hier wurden Teile der Flipper-Filme gedreht und so verwundert es nicht, dass man in kleinen Shows die verrücktesten Kunststücke der liebenswerten Tiere bestaunen kann: Kopfstand, Doppelsaltos, Rücken- und Speedschwimmen, Shark Imitation (unglaublich), vieles perfekt synchron. Alles in allem spannend und wirklich zu empfehlen!
Schwimmen mit Delfinen geht natürlich auch, aber dazu sollte man möglichst selber im Geld schwimmen…
Alles ist neu für uns und ein „erstes Mal“ jagt das nächste. Es fühlt sich permanent so an, wie seinerzeit vor dem ersten Kuss – nur viel aufregender! Unsere nächste Premiere naht in Gestalt dieses imposanten Gebäudes.
Vom FLI-Forum bestens vorbereitet, steuere ich zielgerichtet den Custumer Service an, um mich in den Besitz einer WINN DIXIE Customer Reward Card zu bringen. Antrag ausfüllen, Heimatadresse (!) eintragen und ab in das bunte Konsumparadies. Nach dem Minimarkt-Einkauf in Miami Springs gestern Abend bekommen wir hier schon eher eine Vorstellung von den Shopping-Orgien, die uns in den nächsten Tagen bevorstehen werden. Styropor-Kühlbox (wiederum Dank an das Forum), Cutter (Moskito-Tod), Knabberzeug, Obst, Proviant, Getränke und, und, und........ Ilona entdeckt ihre Liebe zu frischem Florida-Orangensaft (im Kanister) und ich zur handlichen Haushaltsgroßpackung Budweiser. Am Ende wird die Kreditkarte ihrer ersten Belastungsprobe unterzogen und wir saven - Card sei dank - stattliche $ 12. Nur geklaut ist billiger!
Die Fahrt über die 7-Mile-Bridge lässt sich nicht beschreiben. Es fühlt sich wirklich so an, als würde man zwischen Himmel und Meer schweben. Unglaublich! In Ermangelung von Parkmöglichkeiten (ein häufiges Ärgernis auch im weiteren Verlauf der Reise) gibt es leider keine Fotos, aber man muss es sowieso selbst erlebt haben!
Fast hätte ich geschrieben:
Endlich erreichen wir Key West! Und obwohl ich diesen Moment ein Leben lang herbeigesehnt habe und in den letzten Monaten alles über dieses ausgeflippte Stück Erde gelesen habe, was aufzutreiben war, korrigiere ich mich insgeheim: Ooch, schon vorbei!!
Wir stoßen am Ortseingang quasi frontal auf unser „Holiday Inn Key Wester“, doch wer jetzt glaubt, unsere erste Amtshandlung wären Check In und Koffer auspacken……ihr kennt mich ja schon ein bisschen!! Ohne eine erste Stadtrundfahrt setzt Sir Jack keinen Fuß aus dem Gefährt. Es dauert keine 5 Minuten und schon erleben wir die Magie des Ortes und der Atem der Geschichte umfängt uns. Wie war das noch? 1888 war Key West der größte Ort Floridas und der reichste der Vereinigten Staaten!! Und ist heute auf dem besten Weg, in alter Schönheit wieder zu erstehen. (Fotos morgen)
Okay, nun doch schnell ins Hotel, Zimmer liegt in einem etwas gruftig aussehenden Nebengebäude mit klapprigem Fahrstuhl und den typischen, außen umlaufenden Korridoren, alles etwas angegammelt und nicht wirklich einladend. Oops, Schreck, na ja, für eine Nacht, Luft anhalten, Tür auf und ----------------der Blick fällt in ein wunderschönes, geräumiges Hotelzimmer, Schreibtisch, Sitzecke, Riesenbetten, picobello sauber, alles da! Give me five! Dieses ist der zweite Streich!
Nach Poolrunde, (kurzem) Relaxen und frisch machen, starten wir in den schwül-heißen Abend. Ich habe aus luftiger Höhe einen Denny’s entdeckt und wenig später stehen Berge von Shrimps, ein Ultimate Omelett und eine lecker aussehende Chicken-Komposition auf dem Tisch. Das Fotografieren der Köstlichkeiten wird mir von meinem Sohn unter Hinweis auf die Peinlichkeit des Verfahrens untersagt. Auch das zaghaft angeführte Argument, dass diese Vorgehensweise durch
Skully sanktioniert wurde, kann ihn nicht erweichen! Daher keine Fotos!
Unser erstes amerikanisches Dinner schmeckt vorzüglich, aber wo sind die viel gerühmten moderaten Preise geblieben? Haargenau die gleiche Speisekarte werden wir Tage später und einige hundert Meilen weiter nördlich erneut in die Hände bekommen, nur das dort alles 3-4 Dollar billiger ist. Mir kommt in den Sinn, womit die Conchs, wie sich die Einwohner von Key West selber nennen, in früheren Zeiten ihr Geld verdient haben: Als „Wrecker“, d.h., sie haben mehr oder weniger legal Schiffwracks ausgeschlachtet…Alles klar, soweit!
So, auf zum Mallory Square! Wir tauchen ein in ein pittoreskes Hafenviertel und treffen auf fröhliche Menschen, die alle ein Ziel zu haben scheinen. Bevor wir uns ihnen anschließen, müssen wir noch ein „must to do“ abarbeiten. (Alexwag, zieh dich warm an und schnall die Sicherheitgurte fest!)
Definitiv das Göttlichste, was wir jemals gegessen haben. Eisgekühlt, limonig-süß mit fremdem Aroma, liegt wie kalte Marzipan auf der Zunge…..mir fehlen die Worte! Johannes hat einen mit Schokolade überzogenen und verdreht die Augen wie seine Mutter. Ich notiere im Geiste: Schon für dieses Teufelszeug hat sich die Reise gelohnt!
Der Rest ist schnell erzählt. Am Mallory Dock tobt der Bär: Sunset Celebration! Nennt mir einen anderen Ort auf der Welt, an dem 365 Tage im Jahr jeden Abend Party gemacht wird. Und was für eine! Es ist eine unglaubliche Stimmung, die auch nicht wirklich durch dieses Szenario getrübt wird:
Uns zieht es durch die von Menschen bevölkerten Gassen, vorbei an Kneipen, aus denen überall Live Musik dröhnt
zur nächsten Kultstätte unserer Tour: Sloppy Joe’s!
Ich habe kaum einen Blick für den Laden, suche nur die Webcam, die – auf dem Desktop zuhause installiert – mich seit Monaten mit einer Überdosis Sehnsucht versorgt. Ungelogen - ich habe manchen Abend in Spielfilmlänge vor dem Monitor gehockt, um mir die Live-Übertragung von der Ecke Duval St, am anderen Ende der Welt, anzuschauen.
Die sensationellste Webcam der Welt
Und damit für heute Good Night, Ladys 'n' Gentleman, see you - Key West!