Tag 38 Zion
Heute war der Tag, an dem ich Angels Landing laufen wollte. Eine Wanderung, die stellenweise über einen schmalen Felsgrat mit Abgründen zu beiden Seiten führt. Schwindelfreiheit und Trittsicherheit sind vorausgesetzt. Nix für unsere Kinder, aber vielleicht doch was für mich. Ich hatte mir dabei gedacht, dass ich sehr früh aufstehen und die Wanderung unternehmen würde, und so rechtzeitig wieder zurück sein würde, dass wir noch genügend Zeit für gemeinsame Aktivitäten im Park hätten.
Tatsächlich war ich als erster wach, hatte aber so gar keine Lust so früh aufzustehen, so dass wir am Ende alle gemeinsam mit dem Shuttle Bus bis zur Zion Lodge fuhren, dem Ausgangspunkt für den gemütlichen Spaziergang zu den Lower Emerald Pools.
Schnell ergab sich ein schöner Ausblick auf das Tal.
Bald hatten wir die Pools erreicht, wo wir eine kurze Rast einlegten.
Anschließend beschlossen wir bis Grotto weiterzulaufen. Jetzt meckerten die Kinder das erste Mal, sie hatten keine große Lust zum Laufen. Erst als eine kleine Schlange mit grünen Streifen über unseren Weg huschte, verbesserte sich ihre Laune schlagartig. Natürlich hätten wir gerne gewusst, was für eine Schlange bzw. ob das eine giftige Art gewesen war. Daheim fand ich dann heraus, dass es wohl eine harmlose Strumpfbandnatter gewesen war. Der Weg verlief schön oberhalb des Virgin Rivers bis Grotto entlang.
Dort ist ja der Ausgangspunkt für Angels Landing, entsprechend viel war dort los. Zu viel für mich, da ich eher einsamere Wanderungen bevorzuge. Schon hatte ich meinen zweiten Grund gefunden, Angels Landing nicht zu laufen.
Statt dessen fuhren wir mit dem Shuttle zum Temple of Sinawava, wo sich die Schlucht verengt.
Es waren einige Gruppen unterwegs, die sich für die Wanderung in die Narrows vorbereiteten. Darunter auch zwei junge Männer, ausgestattet mit Stöcken und passenden Schuhen, die sich vor meinen Augen richtig warm machten. Sie fragten mich noch nach der Uhrzeit und als sich diese genannt hatte, joggten sie den Riverside Walk hinunter. Wir folgten ihnen ganz gemütlich. Hier waren richtig viele Leute unterwegs, fast so viele wie Squirrels, die den Weg säumten.
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Am Ausgangspunkt zu den Narrows konnte ich der Versuchung nicht widerstehen ein Stück hinein zu laufen. Ich schnappte mir den kleinen Foto, packte ihn in enen Zipbeutel und wadete los. Das
Wasser war erfrischend kalt. Da ich nur meine ausgelatschten Trekkingsandalen und keinen Stock hatte, musste ich mich schon gut konzentrieren nicht auszurutschen.
Nach wenigen Meter schon wurde der Fluss hüfttief, und einige Leute kehrten um. Auch für die Kinder wäre es ab hier wohl zu tief gewesen. Aber ich lief weiter und weiter, viel weiter als ich vorgehabt hatte. Die Schlucht verengte sich ständig und ich konnte gar nicht anderes als immer wieder zur nächsten Biegung zu laufen um zu schauen, was sich dahinter befand. Es machte so richtig Spaß, so dass ich sogar vergaß, dass ich ja vielleicht noch Angels Landing laufen wollte.
Nach kurzer Zeit hatte ich die beiden ungeduldigen jungen Männer eingeholt, die vor uns losgelaufen waren. Trotz guter Ausrüstung quälten sie sich durch das Flussbett. Als einer vor mir ausrutschte und ins Wasser fiel, musste ich mir das Lachen verkneifen. Aber ich hatte mich zu früh gefreut, denn wenige Minuten später landete auch ich auf dem Hosenboden.
Das war ein sicheres Zeichen, dass ich langsam müde wurde, also kehrte ich zurück zum Rest der Familie zurück. Auf der Rückfahrt mit dem Shuttle Bus kamen wir natürlich an Grotto vorbei. Ich meinte zu Simone: „Jetzt bin ich aber zu müde um hoch zu Angels Landing zu laufen, außerdem ist vielleicht schon etwas spät und überhaupt ist es doch viel schöner, unseren letzten Tag hier gemeinsam zu verbringen, bevor es morgen nach Las Vegas geht.“ An jedem dieser Gründe war etwas dran. Aber einen hatte ich nicht genannt. Simone wusste das natürlich auch. Sie schaute mich an, lächelte, nickte verständnisvoll, sagte aber nichts. Wahrscheinlich dachte sie, was ich auch dachte: Dass ich vielleicht doch nur ein kleines bisschen zu viel Respekt hatte.
Wir stiegen noch kurz an den Courts of the Patriarchs aus.
Am Abend grillten wir ein letztes Mal und fingen schon langsam an zu packen.
Der Blick in den leeren Kühlschrank und in das ungewohnt aufgeräumte Womo zeigten uns, dass unsere Reise unwiderruflich zu Ende ging. Allmählich stellte sich Wehmut ein. Aber heute hatten wir noch einmal einen schönen Familientag genießen dürfen.
Harald