Anfangs verbringen wir viel Zeit in Lake City und seiner näheren Umgebung.
Lange ausschlafen, der Ehemann wienert zur Belustigung der gesamten Belegschaft am Auto herum während die Ehefrau gemütlich mehrere große Becher Kaffee verdrückt, liest und einfach mal runterkommt vom heimatlichen Alltagsstreß. Im Campingstuhl sitzen, den Lake City Reporter lesen, am Handy ein Spielchen daddeln, und dabei aus dem Augenwinkel beobachten, wie der Ehemann mit Ohrenstäbchen den Dreck aus den Felgen kratzt und dabei glückselig und selbstvergessen lächelt. Es ist so entspannend.
Wenn ich morgens an die Rezeption komme um mir meinen Frühstückskaffee zu holen, hat die jeweils diensthabende Mitarbeiterin immer eine Bemerkung zu dem, was sich da unten auf dem Parkplatz abspielt. Er liebt das Auto, oder? Putzt er auch zuhause so viel? Kann er mit meinem Auto weitermachen, wenn er fertig ist?
Problem ist nur, er wird nie fertig, denn das hier ist Florida und es gibt fast jede Nacht einen Regenguß, dessen Spuren morgens beseitigt werden müssen.
Irgendwann gegen Mittag ist dann alles bereit und wir brechen auf. Liebgewonnene Plätze wieder besuchen und neue Ecken der Stadt entdecken. Die gibt es tatsächlich immer noch.
Nach einer Woche Burger und anderem Fast Food-Kram in Orlando haben wir jetzt wirklich dringend Bedürfnis nach Gegrilltem und Salat. Das Fleischangebot, das wir im letzten Jahr schon extrem verteuert fanden, hat sich im letzten Jahr nicht gebessert. Publix ist unbezahlbar, Walmart ist soweit ok, hat aber eine ähnliche Auswahl wie Aldi, also landen wir wieder dort. Und mitsamt all unserem Grillkram landen wir dann wieder da, wo wir die letzte Reise beendet haben: Am Alligator Lake.
Das Fleisch mit ausreichend Eis im Kofferraum kühl gehalten, machen wir einen Gang über den Damm, der auf den See hinausführt.
Ein paar Angler sind auf dem See, zwischen den Sumpfzypressen, die hier tatsächlich ein bißchen so aussehen wie auf meinem Bild für Bob Ross, gibt das wieder ein schönes Südstaatenbild.
Tiere sehen wir wenige, überhaupt ist mir in den letzten Jahren aufgefallen, daß man zunehmend weniger Schildkröten sieht und ich frage mich, ob das an der stark angewachsenen Alligatorenpopulation liegt. Der Ehemann sieht da keinen Zusammenhang. Aber früher gab es eindeutig mehr Schröten links und rechts des Weges, nicht nur hier. Naja, wer weiß, woran das liegt, früher war ja überhaupt mehr Lametta. Und ich werde auf dieser Reise noch entschädigt werden.
Unter dem wachsamen Blick von Chief Alligator packen wir dann unser Grillzeug aus. Der kaputte Grill vom letzten Jahr ist inzwischen abgebaut worden, aber hier ist ja heute ein ganz normaler Wochentag und von daher nicht viel los und es gibt genügend freie Grills.
Vollgefressen geht es zurück ins Motel und zurück auf die Klappstühle. Wenn man nicht zu spät am Nachmittag zurückkehrt, ist es noch warm genug für den Pool. Und ansonsten gibt es sicher was am Challenger zu putzen. 😉
Das Leben im Motel pendelt sich ein. Unsere Housekeeping-Dame ist eine Latina ohne Englischkenntnisse, dafür aber mit viel Empathie für müde Reisende. Nachdem sie einmal registriert hat, daß wir Dauergäste sind und keineswegs, wie die sonst hier üblichen Nächtigenden, schon im Morgengrauen wieder abreisen, wird unser Zimmer immer erst geputzt, wenn wir morgens unsere verstrubbelten Köpfe aus der Tür gesteckt haben. Nachdem ich meine zwei Brocken Los Wochos-Spanisch ausgegraben und zusätzlich ein paar Vokabeln gepaukt habe, ist zumindest eine rudimentäre Verständigung möglich.
Als sie eines Tages den Ehemann kopfüber in ihrem Wäschewagen abgetaucht vorfindet, bei dem Versuch ein versehentlich zwischen die schmutzigen Handtücher geratenes extraflauschiges Mikrofasertuch wieder herauszufischen, erweist es sich noch als sehr nützlich, daß ich dann sagen kann, daß das Tuch zwar genauso aussieht wie die Frottier-Handtücher des Motels, aber für die Limpieza vom Coche ist. Danach hält sie uns vermutlich für komplett bescheuert.
Natürlich führt uns gleich in den ersten Tagen eine Fahrt nach White Springs. Das Frühjahr scheint dieses Jahr trockener gewesen zu sein als im letzten, die Blumenwiesen voller Phlox und Thunbergien kommen gerade erst richtig in Schwung. Auch viele Laubbäume treiben gerade noch aus, es ist sehr frühlingshaft mit den unterschiedlichen Grüns der Blätter und der Nadelbäume und den bunten Straßenrändern.
Der Challenger röhrt über die 41 nach Norden, irgendwo kurz vor der Stadt passieren wir den Suwannee, der, aus dem Sumpf von Okefenokee herabkommend hier eine scharfe Biegung nach Westen macht, um sich später bei Luraville mit dem Santa Fé zu vereinigen. Den Suwannee wiederzusehen ist immer wieder schön, dem Fluß haftet etwas Magisches.
White Springs selbst hat sich verändert, aber das wußten wir schon aus dem letzten Jahr.
Adams Country Store ist jetzt ein Landhandel und die Barn Quilts verblassen langsam
Genauso wie die Bemalung des schon lange geschlossenen Outdoor Cafés. Es ist so schade, der Ort hat so ein wunderbares Südstaatenflair, wirkt aber zunehmend ausgestorben.
Am Fluß das Telford Hotel.
Es gibt angeblich Pläne, hier zumindest wieder einen Restaurantbetrieb zu eröffnen. Ansonsten tut sich nichts. Die Eigentümer wollen auch viel zu viel Geld, so wurde uns vor ein paar Jahren hier von unserer Spontanbekanntschaft erzählt, einem Geschichtsdozenten der Universität Gainesville, der uns bei unserem ersten Besuch hier zu sich einlud.
Unsere Vermutung aus dem letzten Jahr, daß der sympathische, aber ganz offensichtlich schwer kranke Mann möglicherweise nicht mehr lebt, hat sich inzwischen bestätigt. Und daß wir das wissen, war keine schwierige Recherchearbeit, sondern eher ein Beweis für den fehlenden Datenschutz in den USA. Kennt man die Adresse einer Person, ist nichts einfacher, als alle möglichen Hintergrundinformationen ganz legal abzufragen. Einer der Momente, in denen ich für deutsche Bürokratie durchaus dankbar bin.
Auf der Veranda des Geschichtslehrerhauses ist ein Maler zugange. Der silberne Challenger mit dem Kennzeichen aus Georgia und unser Videoequipment, mit dem wir Aufnahmen vom Telford machen, lassen uns vermutlich so vertrauenswürdig aussehen, daß er uns bereitwillig erzählt, das Haus stünde jetzt zum Verkauf.
Wir hätten nichts dagegen einzuwenden hier zu wohnen. Oder ein Conch-Häuschen auf Key West, das ließe ich mir auch gefallen.
Der Maler erzählt uns, daß er hier in der Straße eigentlich alle Häuser schon gestrichen habe, auch die großen viktorianischen Villen direkt am Fluß. 6 Monate braucht er für so ein Holzhaus.
Auf dem Rückweg legen wir einen Stop am Wasserfall ein. Der Falling Creek ist genauso tanningefärbt wie der Suwannee und das Wasser leuchtet golden, wenn es über die kleine Klippe herabfällt.
Der Fall ist nicht wirklich beeindruckend, eigentlich sind es ja nur bessere Stromschnellen, aber hier in Florida, wo es ja so gut wie keine Wasserfälle gibt, ist er schon etwas Besonderes und wird von den Leuten aus der Umgebung auch gern besucht, auch heute sind wir bei weitem nicht die einzigen, die hier sitzen.
Gegen Ende der Woche häufen sich die Termine. Der Donnerstag ist nur einer von zwei Öffnungstagen des Columbia County Historic Museum, das in einer prächtigen Foursquare-Villa mit umlaufenden Veranden in der historischen Downtown untergebracht ist. Das Museum wird nur mit ehrenamtlichen Mitarbeitern betrieben und hat daher nur so eingeschränkte Öffnungszeiten. Die Villa soll innen weitestgehend im Originalzustand aus der Bürgerkriegszeit eingerichtet sein. Gelegentlich gibt es Reenactments, besonders wenn die Schlacht von Olustee sich jährt.
Wir werden auf dieser Reise noch die Ansicht zu hören bekommen, daß das Gedenken an diese Zeit und Traditionen ein Geschmäckle hat, und die teilen wir an sich sogar, aber interessant finden wir es eben doch, und nachdem wir die Stadt nun schon relativ lange und gut kennen, möchten wir eben auch mehr über ihre Geschichte wissen.
Daraus wird aber nichts. An der Tür ein großes Schild, aus Personalmangel derzeit geschlossen. Auch hier wird es sicher nicht einfacher, Menschen zu finden, die neben allem anderen noch ehrenamtlich arbeiten möchten.
Wir schauen uns das Haus von außen an und sind ein bißchen enttäuscht, daß wir nicht hineinkönnen. Mich erinnert es ja ein bißchen an das Hemingway Haus auf Key West.
Es ist wirklich ein beeindruckendes Gebäude, wäre sicher schön gewesen. Wir werden das weiter verfolgen, immerhin gibt es eine Facebookseite, da wird man ja sicher mitkriegen, wenn es hier weitergeht.
Statt dessen überqueren wir einfach die Straße, denn fast genau gegenüber liegt der Lake de Soto. Wir machen es uns auf den Campingstühlen im Schatten einer Eiche bequem, vom anderen Seeufer schallt der Lärm eines Straßenfestes herüber, das das ganze Wochenende gehen wird. Ob es damit zu tun hat oder ob sich die Interaktion der Tiere in so einem Mikrokosmos wie diesem See in der Stadt innerhalb eines Jahres komplett verändern, wissen wir nicht, aber solche spektakulären Szenen, wie die mit den Schildkröten um die Schilfinseln kämpfenden Grackel beobachten wir dieses Jahr nicht. Trotzdem ist es wieder schön hier, die Menschen führen ihre Hunde aus und joggen im Kreis um den See herum, Kleinstadtidyll.
Und dann ist schon wieder Freitag und Freitagnachmittag bedeutet: Hardee’s. Wir sind gespannt, ob wir die bekannten Autos und ihre Besitzer wiedertreffen. Immerhin fahren wir da diesmal selbst mit einem ziemlich beeindruckenden Auto vor. 😉